Friesian Fall – 2

Dokkum

Dokkum

Mit dem Städtchen Dokkum haben wir den entferntesten Ort auf unserer diesjährigen Reise erreicht. Es ist ziemlich kühl und regnerisch, dafür sind wir fast die einzigen Touristen, die sich um diese Jahreszeit hierher „verirrt“ haben.

With the small town of Dokkum we have reached the most distant place on our journey this year. It is quite cool and rainy, but we are almost the only tourists who have been „strayed“ here at this
time of year.

Dokkum

Sonntag, 17. Oktober
Am nächsten Tag wollen wir zurück nach Leeuwarden, wo dann endlich ein Rasttag geplant ist. Gespannt beobachten wir die Wettervorhersage, die uns alle paar Stunden vor neue Denkaufgaben stellt. Mal fällt die Starkwindphase etwas heftiger oder etwas milder aus, mal kommt sie einen Tag früher, mal hat sie den Höhepunkt einen Tag später. Klar ist nur, dass wir zwischen Dienstag und Freitag mit ungemütlichen Bedingungen am IJsselmeer zu rechnen haben.

Während wir bei wenig Wind gemütlich durch die flache friesische Landschaft ziehen, diskutieren wir die Optionen. Sollten wir das Boot in diesem Winter in Lemmer lassen, das Auto aus dem 50 km entfernten Lelystad holen und den Tank hier ausbauen? Oder sollen wir so schnell wie möglich zurück nach Lemmer, so dass wir uns den ruhigsten Tag für die Überfahrt aussuchen können. Ich komme mir vor, wie auf Charterfahrt, wo am Ende ein Limit existiert, das alle Entscheidungen beeinflusst.

Wir beschließen, flexibel zu bleiben, auf jeden Fall jetzt einmal in Leeuwarden zu übernachten und immer nur von Tag zu Tag zu planen. Zu unsicher und wechselhaft sind die Wetteraussichten. Leider fängt es nun auch an zu regnen, was die Wiese beim Liegeplatz am Stadtpark in einen Sumpf verwandelt. Auch von der Stadt sehen wir nicht viel, weil wir beschließen, doch am nächsten Tag schon weiterzufahren. Immerhin geht sich eine friesische Senfsuppe im „Grand Café De Walrus“ aus, mit entsprechender Bierbegleitung.

Sunday, 17 October
The next day we want to return to Leeuwarden, where a resting day is finally planned. We keep a close eye on the weather forecast, which confronts us with new challenges every few hours. Sometimes the strong wind phase is a little stronger or a little milder, sometimes it comes a day earlier, sometimes it peaks a day later. The only thing that is clear is that we can expect uncomfortable conditions on the IJsselmeer between Tuesday and Thursday or Friday.

While we leisurely sail through the flat Frisian landscape with little wind, we discuss the options. Should we leave the boat in Lemmer this winter, get the car from Lelystad, 50 km away, and remove the tank here? Or should we return to Lemmer as soon as possible so that we can choose the calmest day for the crossing. I feel like I’m on a charter trip where there is a limit at the end that influences all decisions.

We decide to remain flexible, to stay overnight in Leeuwarden at any rate now and only ever plan from day to day. The weather outlook is too uncertain and changeable. Unfortunately, it also starts raining now, which turns the meadow at the mooring near the city park into a swamp. We don’t see much of the city either, because we decide to continue our journey the next day. At least we have Frisian mustard soup at the “Grand Café De Walrus”, accordingly accompanied by beer.

Leeuwarden

Montag, 18. Oktober
Wir wollen wieder in Irnsum übernachten, weil das die Strecke nach Lemmer in zwei gemütliche Hälften teilt. Das Restaurant mit dem Oktoberfest werden wir aber auch diesmal nicht kennenlernen, es hat Betriebsurlaub! Also kocht uns Hanna wieder etwas Leckeres an Bord und wir setzen uns zum Gute-Nacht-Schluck an den großzügigen Salon-Tisch. Die Fahrt hierher verlief ohne besondere Vorkommnisse, außer dass wir die Wartezeit vor der Eisenbahnbrücke im Süden von Leeuwarden für Hannas erstes selbst gefahrenes Anlegemanöver nutzen. Unter idealen Verhältnissen gelingt es auf Anhieb perfekt.

Dienstag, 19. Oktober
Ich bin nach wie vor unentschlossen, wie es weiter gehen soll. Mittwoch und Donnerstag schauen nach viel Wind und einigem Regen aus, am Freitag wird es dann schon mit der Zeit knapp. Außerdem zieht das Tief weiter nach Süden, so dass es gerade am Freitagvormittag vor Lelystad am heftigsten zu werden scheint – immerhin soll der Regen dann aufhören.

Ein Telefonat mit der Marina in Lemmer ergibt, dass die Option, den Winterliegeplatz nach Lemmer zu verlegen, nicht existiert. Nachdem diese Woche aufgrund des Windes nicht mehr gekrant werden kann und ich am Montag wieder zur Arbeit muss, scheidet diese Möglichkeit aus. Also ist jetzt zumindest klar, dass wir nach Lelystad fahren müssen. Die Frage ist, wann. Heute ginge es vom Wetter her am besten, aber da wird es sehr spät, bis wir in Lelystad ankommen und wir wären den ganzen Tag ohne Pause unterwegs. Das wollen wir nicht. Daher fahren wir jetzt einmal nach Lemmer, übernachten dort noch einmal und treffen weitere Entscheidungen nach „Tagesverfassung“. Der Wind beginnt heute tatsächlich aufzufrischen.

Monday, 18 October
We want to spend the night at Irnsum again, because it divides the route to Lemmer into two comfortable halves. But we won’t get to know the restaurant with the “Oktoberfest” this time either, it’s on holiday! So, Hanna cooks us something delicious on board again and we sit down at the spacious saloon table for a good-night sip. The trip here was uneventful, except that we used the waiting time in front of the railway bridge in the south of Leeuwarden for Hanna’s first self-helmed mooring manoeuvre. Under ideal conditions, it went perfectly right away.

Tuesday, 19 October
I am still undecided about how to proceed. Wednesday and Thursday look like a lot of wind and some rain, and on Friday I’ll be already running out of time. In addition, the low-pressure system is moving further south, so that it seems to be at its heaviest just off Lelystad on Friday morning – at least the rain is supposed to stop by then.

A phone call to the marina in Lemmer reveals that the option of moving the winter standing to Lemmer does not exist. Since we can’t crane this week because of the wind and as I must go back to work on Monday, this option is ruled out. Now at least it is clear that we have to go to Lelystad. The question is when. Today would be the best day, but it will become very late before we arrive in Lelystad, and we would be out sailing all day without a break. We don’t want that. Therefore, we will now go to Lemmer, spend the night there again and make further decisions according to the „condition of the day“. Today the wind has actually started to pick up.

 

Lemmer

Mittwoch, 20. Oktober
Heute zieht die Front hier durch und es wird richtig stürmisch. Hier in der Stadt merkt man nicht so viel davon, aber wir wollen uns nicht vorstellen, was auf dem IJsselmeer los sein muss. Die Richtung ist außerdem aus Süd bis Südwest und wir müssten entweder motoren – was in der kurzen, steilen See hier kein Vergnügen ist – oder sehr hoch am Wind segeln, womöglich sogar den einen oder anderen Holeschlag machen. Beides würde unsere Nerven – speziell die Magennerven – über Gebühr beanspruchen.

Morgen sollte der Wind mehr aus westlichen Richtungen kommen (ideal für eine „Westerly“), dafür dürfte es deutlich böiger werden und auch regnerischer. Am Freitag wiederum bläst es vormittags wieder sehr heftig und es soll erst „ab 14:00 Uhr“ ruhiger werden, dafür scheint der Regen aufzuhören.

Wieder ist die Entscheidung nicht leicht zu treffen. Das Warten auf Freitagnachmittag scheint verlockend zu sein, aber was, wenn die Wetter-Beruhigung dann ein paar Stunden verspätet eintritt, dann haben wir keine zeitlichen Reserven mehr – Samstag soll gekrant werden und den Tank wollen wir auch noch ausbauen. Natürlich können wir das Kranen wieder der Marina überlassen, die haben 2020 auch die Segel abgenommen, getrocknet und über den Winter gelagert. Das ist alles nur eine Geldfrage. Und am Samstag verspricht das Wetter einen ruhigen meist sonnigen Herbsttag – ideal für die Rückfahrt, aber auch für das Einwintern.

Heute bleiben wir auf jeden Fall noch in Lemmer, morgen soll entschieden werden!

 

Wednesday, 20 October
Today the front passes through here and it gets quite stormy. You don’t notice very much of it here in town centre, but we don’t want to imagine what must be happening out on the IJsselmeer. Also, the direction is from the south to southwest and we would either have to motor – which is no fun in the short, steep sea here – or sail very close hauled, possibly even making one or two tacks to get away from the lee shore. Both would put an excessive strain on our nerves – especially our stomach nerves.

Tomorrow the wind should come more from the west (ideal for a „Westerly“), but there should be more gusts and also more rain. On Friday, the wind will be very strong again in the morning and will only calm down „after 14:00“, but, at least, the rain seems to stop.

Again, the decision is not easy to make. Waiting until Friday afternoon seems tempting, but what if the weather calms down a few hours later than expected and we have no time left – we must crane on Saturday, and we also want to remove the tank. Of course, we can leave the craning to the marina again, they also took down the sails in 2020, dried them and stored them over the winter. It’s all just a question of money. And on Saturday, the weather forecast promises a calm, mostly sunny autumn day – ideal for the return trip, but also for winterising.

Today we will definitely stay in Lemmer, tomorrow the decision will be made!

 

Schwerverkehr in Lemmer

Heavy traffic in Lemmer

Donnerstag, 21. Oktober
Wir beschließen, nach dem Frühstück mal auszulaufen und in der Marina „Friese Hoek“ fest zu machen. Wir sehen dann schon einmal, wie die Verhältnisse draußen sich darstellen.

Hanna fragt mich irgendwann, was ich vom heutigen Tag erwarten würde im Vergleich zum letzten Tag 2010 in der oberen Adria (wir hatten damals ablandige Bora mit über 40 Knoten aber kaum Welle, weil wir sehr nahe der Küste waren). Schwierige Frage: Das Wetter war damals „besser“, der Wind heftiger. Am Leeufer des IJsselmeers kann sich eine sehr unschöne See aufbauen, aber die Verhältnisse werden weder das Boot noch Matthias und mich überfordern – selbst, wenn uns vielleicht vorübergehend etwas übel werden könnte. Die Dauer der Ungemütlichkeit wäre in etwa gleich, ca. 4 bis 5 Stunden. Das Unangenehmste wäre jedenfalls die lange Nähe zur Leeküste (bis nach Urk), die würde nicht viele „Fehler“ erlauben. Aber mit entsprechend gerefften Segeln droht auch keine unmittelbare Gefahr. Hanna denkt kurz nach und meint dann: „Okay, das traue ich mir zu!“

Also rufen wir die freundliche Marina-Managerin zum dritten Mal heute an, um ihr mitzuteilen, dass wir uns nach kurzem Besinnen nun doch entschlossen hätten, noch heute nach Lelystad aufzubrechen. „Gute Fahrt!“

 

Thursday, 21 October
We decide to go out of town after breakfast and moor in the marina „Friese Hoek“. Then we can see what the conditions are like outside.

At some point Hanna asks me what I expect from today compared to the last day in 2010 in the upper Adriatic when we had a “Bura” blowing from the shore with over 40 knots but hardly any waves because we were very close to the coast. Difficult question: the weather was „better“ then, the wind stronger. On the IJsselmeer on the lee shore, a very nasty sea can build up, but the conditions will not overwhelm the boat or Matthias and me – even if we might get a bit nauseous, temporarily. The duration of the unpleasantness would be about the same, about 4 to 5 hours. In any case, the most uncomfortable thing would be the prolonged proximity to the leeward coast (all the way to Urk), which would not allow for many „mistakes“. But with the sails reefed accordingly, there is no immediate danger. Hanna thinks for a moment and then says: „Okay, I’m up for it!”

So, we call the friendly marina manager for the third time today to tell her that after a moment’s reflection we have decided to set off for Lelystad today after all. „Have a good trip!“

Wir motoren in den Regen

We’re motoring into the rain

Ziemlich mühsam schiebt uns unser „Rudolf“ (nach dem Ingenieur Rudolf Diesel) gegen den Wind aus der Bucht von Lemmer raus auf das IJsselmeer. Dort bläst uns der steife Südwest ins Gesicht, aber wir fahren genug Höhe, um uns gut von der Rotterdamse Hoek freizuhalten. Dann ziehen wir die vier Reihen von Windrädern entlang nach Süden. Wir können gut Abstand zum Ufer halten und beglückwünschen uns zu der Entscheidung doch heute noch zu fahren. Ein paarmal fallen Regenböen ein, in denen der Wind noch um ein, zwei Stärken auffrischt – bis gute 7 Bft. – und in denen die Regenschauer unsere Sicht auf ein paar Meter reduzieren. Da die pepperbird in diesen Böen eher luvgieriger wird, nehmen wir das in Kauf und kämpfen uns durch die ungemütlichen 5 bis 10 Minuten.

Our „Rudolf“ (after the engineer Rudolf Diesel) pushes us quite laboriously against the wind out of the bay of Lemmer onto the IJsselmeer. There the stiff west-south-westerly wind blows in our faces, but we have enough sea room to keep clear of the Rotterdamse Hoek. Then we sail south along the four rows of wind turbines. We can keep a good distance from the shore and congratulate ourselves on the decision to sail today. A couple of times rain squalls fall in, during which the wind picks up by one or two strengths – up to a good force 7 – and during which the rain showers reduce our visibility to a few metres. As pepperbird tends to develop more weather-helm in these gusts, we put up with it and fight our way through those uncomfortable 5 to 10 minutes.

Daheim

Home

Je weiter wir vorankommen, umso besser kommen wir mit den Verhältnissen zurecht, zumal auch die Regenschauer immer seltener werden. Es ist aber beeindruckend aus der Ferne zuzusehen, wie Lelystad mit seinem charakteristischen Fernmeldeturm mehrmals in so einer Regenfront verschwindet und anschließend im immer klarer werdenden Herbstlicht wieder auftaucht.

Es bläst noch ziemlich heftig, bei goldenem Sonnenschein, als wir schließlich in der Flevomarina festmachen. Wir bekommen einen bequemen Liegeplatz zum längsseits Liegen und können die pepperbird bis Samstag hierlassen. Morgen wird nicht gekrant und am Samstag sind wir Nummer zwei am Kran – bei besten Wetteraussichten!

The further we progress, the better we cope with the conditions, especially as the rain showers become less and less frequent. But it is impressive to watch from a distance how Lelystad with its characteristic telecommunications tower disappears several times in such a rain front and then reappears in the increasingly clear autumn light.

It’s still blowing pretty hard, with golden sunshine, when we finally moor in the Flevomarina. We get a comfortable berth to lie alongside and can leave pepperbird here until Saturday. Tomorrow there will be no craning because of the wind and on Saturday we will be number two at the crane – with the best weather prospects!

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